5. Stetig Schritt für Schritt - Arbeiten im Jahr 2000

Dann, genau ab dem 01.01.2000 war eine Wohnung leer und ich sollte wieder mit den Beinen auf den Boden der Tatsachen gesetzt werden. Beim Auszug der Mieter sah die Wohnung recht ordentlich und gepflegt aus und wir freuten uns schon bald eine neu renovierte Wohnung vermieten zu können.


"Und Weg"  ganz aktiv

Aber schon als wir die Tapeten ablösten, konnten wir nur wirren Untergrund erkennen. Mal war es Lehm, mal Sauerkrautplatten, mal Verlegerplatten und auch an einigen Stellen einfach bröckelnder Putz. Im Bad war es eine starke Wand die uns Sorgen bereitete. Sie war so ganz anders als alles bis jetzt entdeckte. Vorsichtig lösten wir die Steine aus und sahen dann eine zweite Wand. Man hatte einfach eine Mauer vor die Außenwand gesetzt. Aber warum? ! Als wir uns die neu entdeckte Außenwand genauer betrachteten wussten wir es. Selbst ein 3 jähriges Kind hätte ohne Mühe die Wand herausstoßen können. Da diese Stelle keine Zimmermanns Arbeiten erforderten lösten wir alle Steine aus und erneuerten sie mit unserem geliebten Lehm. Nachdem nun alle Klarheiten beseitigt waren stellte sich die Frage wie die Isolierung vorgenommen werden sollte. Lattung mit Styropor, Sauerkrautplatten, Einmannverlegerplatten, oder alles mit Lehm zu  schmieren. 

Die Entscheidung fiel uns nicht leicht, da wir keine Erfahrungswerte hatten und so wendete sich Rüdiger dank Internet an Menschen mit Bauerfahrung im historischen Stil.
 Wieder kam uns ein Mitglied des „Holznagels“ zur Hilfe und riet uns zur Lehmlösung. Er hatte auch verschiedene Argumente für seinen Vorschlag. Da sprach er von Taupunkt, von Wohnklima, von Verbindung zweier Baumaterialien und anderen Dingen von denen ich nicht viel verstehe, aber meinem Mann leuchteten die Argumente ein und so war die Entscheidung des weiteren Bauschrittes gefallen. Sie lautete Lehm. Bevor wir jedoch mit dem Ausmauern der Außenwände beginnen konnten stellten sich neue Aufgaben.
Bevor wir jedoch mit dem Ausmauern der Außenwände beginnen konnten stellten sich neue Aufgaben.

1)   Die Heizung

2)  Der Strom

3)  Die Fenster

4)  Die Wasserleitungen

5)  Vollständige Entkernung

 

1.Die Heizungen waren allesamt, rostig, undicht oder ganz einfach marode. Mein Mann entfernte sie kurzerhand und stellte einen Werkstattofen auf, der uns und unseren vierbeinigen Bauhelfer an kalten Tagen gute Dienste erwies. Der Kaffee blieb heiß und heißes Wasser zum Waschen gab es auch.


"Lass die man machen, da legen wir uns doch besser vor dem warmen Ofen"

2. Der Strom war so wirr verlegt und zu einem Kabelsalat zusammen gefasst, dass selbst Fachleute den Kopf schüttelten und nur mit dem Seitenschneider winkten. So wurde auch die vollständige Stromversorgung in der Wohnung lahm gelegt. Da man auch Kabel von einem Zimmer ins Andere mit einer „Freileitung“ durch die Fensterleibung nach Außen und in ein anderes Fenster zurück gelegt hatte waren auch die Fenster, die jedoch sowieso erneuert werden sollten, für uns unbrauchbar.

3.Endlich fanden wir, unter vielen Anbietern, den für uns passenden Partner für unsere Fenster. Leider hatte man in grauer Vorzeit etliches an Ständerwerk verändert, so das große Fenster in der Wohnung waren. Auch hier hieß es, zurück bauen und wieder mit Lehmsteinen und Strohleichtlehm verschließen.

Dank unserem Zimmermann Herrn Wachs geschah das an ein paar Tagen innerhalb der Woche, so das ich diese Aktion nur als erledigte Arbeit erleben brauchte.

4. In dieser Zeit hatten wir auch die ganzen Wasser An-, und Abflüsse der Wohnung entfernt, da sie sich in ähnlich schlechten Zustand wie Heizung und Strom befanden.

So kam ich eines Wochenendes in unser Haus und fand eine vollständige entkernte Wohnung vor. Das war, so glaube ich auch die Zeit, in der mir die ersten Zweifel an unserem „Traum“ kamen. Fast drei Monate hatten wir Schweiß und Arbeit in dieses Objekt gesteckt um endlich eine unbewohnbare Wohnung zu haben. Ich war geschockt aber der Optimismus von Rüdiger steckte mich auch diesmal wieder an, und so stellte ich mich voller Tatendrang auf das Ausmauern der Außenwände mit Lehm ein.

Vorher musste aber noch die Decke in der Wohnung entfernt werden, da es sich hier um brüchige Presspappe handelte. Was wir nicht wussten, aber dank unseres Hauses auch diese Erfahrung machen durften war, dass man früher Strohspäne, Schüttung und gehäckseltes Gras, sowie Schibbe ( Abfallprodukt der Flachsverarbeitung ) als Isolierung benutzt hatte. Vielleicht war es aber auch nur der Dreck der Jahrhunderte, der uns da auf den Kopf und den Rücken herunter rieselte. Aber mit Taucherbrille und Mundschutz konnte uns  auch diese Herausforderung nichts anhaben. An diesem Abend fanden wir in den Ohren bis hin zu den Socken Fragmente unseres Hauses.

Am Tag darauf kamen wieder einige Freunde, mit denen die neue Decke aus Verlegerplatten im Nu angebracht war. Schon sah unsere Wohnung etwas zivilisierter aus. Nach einem warmen Abendessen stieg auch wieder unser Mut und wir freuten uns auf einen neuen Tag und somit auf ein neues Abendteuer.
Durch die vielen Rechnungen und die schrecklichen Kostenvoranschlägen, die wir trotz unserer Eigenleistung zugeschickt bekamen entschlossen wir und den Aus-, und Umbau auf eine Haushälfte zu reduzieren. Lieber etwas langsamer und gewissenhaft als irgendwo schludern, da das Haus dann kleinen Spaß mehr macht, wenn die Taschen leer und der Rücken krumm ist.

In diesen Tagen kam mir manchmal die Frage hoch, warum Menschen Abendteuerurlaub buchen. Ein altes Haus oder Schuppen und man hat täglich ein Abendteuer-, und Überraschungspaket frei Haus.

Da in ganzen Haus die Stromkabel überlastet und für die heutigen Anforderungen unzulässig waren beschlossen wir einen Verteilerkeller einzurichten. Von diesem Raum sollte später Wasser, Heizung und Strom für das ganze Haus verteilt werden. Daher entfernte mein Mann mit einer Elektrofirma die Stromkästen aus dem Treppenhaus und brachten neue Kästen in einem extra dafür errichteten Kellerraum an. Durch diese Aktion  ergab sich eine neue „Baustelle“ das Treppenhaus.

Wände wurden auf gestemmt, Deckenvertäfelungen abgehängt, Putz abgeschlagen und Balken freigelegt. So entdeckten wir auch, dass man als Isolierung zwischen Wohnung und Treppenhaus alte Matratzen benutzt hatten, in denen sich nun Nagetiere ein neues Zuhause gebaut hatten. Wir kündigten den unerwünschten Untermietern fristlos ,indem wir ihr Matratzenlager entsorgten  und die Isolierung mit Strohlehm vornahmen.

Da noch drei Mietparteien in dem Haus wohnten und sich der Hausflur in einem desolaten Zustand befand, musste das Treppenhaus schleunigst wieder hergestellt werden.

Endlich, endlich kamen wir ans Ausmauern der Außenwände. Natürlich mit Stroh-Lehm. Der Mai 2OOO war recht warm, windig und sonnig, so konnte der Lehm schön trocknen. Aber erst einmal musste er auf die Außenwände aufgebracht werden. Vor einem Jahr kamen mir die Eimer weniger schwer und meine Arme weniger lang vor. Aber die Zeit drängte und unser Tagewerk spornte uns  an. Oft war unsere einzige Aktivität am Abend noch ein heißes Bad und der Weg ins Bett. Es kam auch vor, dass einer von uns mitten im Gespräch einschlief. Der Mai war für uns recht anstrengend aber auch sehr befriedigend. Als die erste Lehmschicht darauf war wurde das Ständerwerk sandgestrahlt und 5 mal gestrichen.

Im Juni kam der erste Satz Fenster. Genau 11 Stück und unser Haus wurde fast ein Prachtstück. In unseren Augen alle mal. Die wunderschönen Fenster wurden zu- gehangen und  abgeklebt  und wieder kam eine Lehmschicht in die Gefache. Dank der Übungen im Mai fiel uns die zweite Schicht nicht mehr so schwer. Wahrscheinlich, weil sie etwas dünner war. Nun wurde verdichtet.

Unsere Nachbarn amüsierten sich, wie wir  Stunde um Stunde auf dem Gerüst standen und den Lehm glatt rieben. „Habt ihr nichts besseres zu tun, als euer Haus zu streicheln“? munterten sie uns auf. Wir freuten uns über eine kleine Pause wenn wir von unseren Nachbarn im Garten zu Kaffe und Kuchen eingeladen wurden. Seit Anfang des Jahres kam jeden Tag ein Ehepaar auf dem abendlichen Spaziergang  bei uns vorbei und freuten sich neidlos über unseren kleinen Erfolge. Nun kam die Munnierung. Verzinkter Draht (Kaninchendraht) wurde auf Maß geschnitten und in die Gefache genagelt. Der zweite Satz Fenster und unsere Hintertür kam in einer Woche, diese Aktion erlebte ich nur als Betrachter am Wochenende. Unser Haus war ein Schloss, ein Prachtstück, unser Traum.

Fast ein Jahr Arbeit ohne Unterbrechungen haben aus einer Ruine, ein sehr ansehnliches altes Bauernhaus entstehen lassen. Da wir ja nur die Hälfte des Hauses erneuert haben können wir jeden Tag den Unterschied zwischen Einst und Jetzt sehen und uns neue Energie an dem Ergebnis holen. Ich persönlich freue mich dieses Jahr auf den Winter, denn dann wird in dem Haus einiges passieren.

Es währe zu einfach gewesen wenn es einmal wie abgesprochen oder von uns erwünscht abgelaufen währe. Doch dann kündigte einer der Mieter. Ich kann die Familie gut verstehen, denn wir sind auch einwenig eigenartige Vermieter. Mal wird gehämmert, mal rumgestaubt, mal das ganze Treppenhaus auseinander genommen. Das kann auch eine sehr günstige Miete nicht immer wett machen. So aber hatten wir auf unserer arbeitsintensiven Haushälfte die zweite Wohnung frei. Also entkernten wir die  2. Wohnung. Wir wussten ja was auf uns zukam und so gingen wir siegessicher an die Arbeit. Weit gefehlt. Es kam alles anders. Wie kann ein einfaches Haus soviel Überraschungen bergen. Teilweise waren da zwei Innenmauern gebaut, dann wieder Wände so dünn wie eine dicke Tafel Schokolade. An manchen Stellen konnten wir, als die Tapeten herunter waren, in den Garten sehen.

Hinter einer Wand fehlte das gesamte Ständerwerk bis zur Brusthöhe .Eine verlassene Wohnung von unseren nagenden Untermietern. Wieder kam ein SOS-Ruf an Herrn Wachs den Zimmermann des Dorfes. Endlich, endlich nach einigen Containern Müll war die Wohnung entkernt. Von Dreck, Staub, blauen Flecken und Kratzern will ich hier gar nicht reden. Es gab Abende da fühlte ich mich wie eine Achtzigjährige.

 Wo ich die Energie hernahm weiß ich bis Heute nicht.

Der Winter2000 fing sehr mild an und so versuchten wir noch einige Arbeiten rund ums Haus zu erledigen. Ein neuer Unterstand und Freisitz für unsere Mieter sollte gebaut werden ( Wieder aufgebaut werden ) Ich glaube, das war die Zeit wo mein Mann auch endlich einmal wieder was fertig sehen wollte. So wurde aus alten Eichenbalken ein Unterstand gebaut, mit Rauschbund eine Überdachung gemacht und dann mit Pfannen belegt. Die Rückwand, als Windschutz gedacht, mit Haselruten gefochten und mit Lehm ausgemauert.

9 Felder mussten so gearbeitet werden und in ein Feld passten ca.180 Haselruten. Ich glaube wir haben einen ganzen Wald abgeholzt. Natürlich mit Genehmigung des Bauers. Es war wunderschön und ich dachte nun endlich ist Winterpause. Aber der Boden, bei jedem Wetter schleppten wir uns Dreck ins Haus, so war Rüdiger nicht zufrieden. Es sollte noch gepflastert werden.

Aber was war hier die Frage. Es sollte zum Alter des Hauses passen und trotzdem der Zeit entsprechend pflegeleicht sein. Wieder kam uns Freund Zufall zur Hilfe, denn wir erfuhren von einem der Dorfbewohner, dass in einem kleinen Waldstück alten Pflastersteine waren. Diese waren vor Jahren aus den Straßen entfernt, und einfach weggeworfen. So war unser nächster Schritt ein Besuch beim Dorfvorsteher. Nach einigen Überredungsversuchen und kleinen Gegenleistungen in Sinne von erbrachter Arbeit für unser Dorf, durften wir uns die Steine aus dem Wald holen. Zuerst sah ich nur einen grünen Hügel mit Moos, Sträuchern und kleinen Birken. Da irgendwo mussten die Steine liegen. Aus Matsch, Erde und Sumpf holten wir uns Stein für Stein und waren stolz fast vergessenes Baumaterial wieder für seine ursprünglichen Bestimmung nutzen zu können.

Bei stöhmenden Regen und klirrender Kälte verlegten wir 2 Tage vor Weihnachten die  letzten Blaubasaltsteine im Hof.

Mir frohren zu der Zeit, so glaube ich, nicht nur die Hände ein. Aus unserem Traum wurde für mich  langsam ein Alptraum. Von“ Haus“ wollte ich nicht mehr sprechen, es war für mich eine große Sparbüchse, ein Lehmklotz, ein Kraftfresser. Unser ganzes Leben spielte sich um das Haus ab. Es wurde kalkuliert, geplant, gerechnet und diskutiert. Wo blieben die gemütlichen Abende, wo Kinobesuche oder Treffen mit Freunden?

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